»Ich habe keine Ahnung, was „Hain“ bedeutet,
aber es muss schlimm sein«
So reagierte ein sehr guter Freund auf meinen Einberufungsbescheid im Jahr 1998. Gestern las ich in Clemens Meyers Als wir träumten:
»Mit Rückfahrt?«, fragte die Frau am Schalter. »Nein«, sagte ich, »nur einfach.« »Umsteigen in Riesa«, sagte die Frau, »einundzwanzig sechzehn, einundzwanzig achtundzwanzig weiter nach Zeithain.« »Wird spät«, sagte ich, als ich bezahlte, »Zapfenstreich«, weil ich wusste, dass es in Zeithain auch eine große Kaserne gab. Sie blickte mich an und nickte und gab mir mein Wechselgeld.
Das Kapitel trägt den Titel »Jugendarrestanstalt Zeithain« und umfasst mehr als fünfzig Seiten. Zeit genug, um im mit der Überschrift konform gehenden Gefühl zu versinken, dass sich teilweise noch immer abrufen lässt. Man idealisiert über die Jahre und ich habe jetzt sentimentale Laune, wenn ich an die Monate Juli und August 1998 denke, an linoleumartige Böden und trostlose Landschaft. Schön ist anders. In Zeithain gibt es neben der Kaserne (und der Jugendarrestanstalt offensichtlich) nichts. Ein paar mal sind wir nach Dienstschluss rausgefahren nach Riesa in ein großes Einkaufskarree. Wie der andere Ort heißt, den wir besuchten, weiß ich nicht mehr.
Aber das Diorama, was der Freund mir zum Abschied schenkte, besitze ich heute noch. Ganz bestimmt fahre ich irgendwann wieder einmal hin, bis zum großen Parkplatz vor das Tor. Und an dem See vorbei, von dem ich vor acht Jahren dachte, man könne in ihm baden.