Ruf ein Fahrrad

»Wenn ich mich nicht melde, geht es mir gut« pflege ich immer zu sagen, wenn ich mir von verwandtschaftlicher Seite anhören muss, dass ich, wenn ich sowieso nicht vorbeikomme, nicht einmal anrufen würde. Manchmal sage ich dann noch »ich bin nicht gut in sowas« und danke immer denen, die von sich aus nach einem halben Jahr anrufen oder jenen, die da sind, wenn es einem nach zwei Jahren wieder schlecht geht.

Für den Moment habe ich eine andere Ausrede, die sich mit Arbeit gut umschreiben lässt. Ich schloss mich über das Wochenende ein, zweimal herum, habe meine Kommunikationsprogramme beendet, extra noch eingekauft und gedacht: »Jetzt schauen wir mal!« Und dann habe ich gedacht: »Du kannst nachts sowieso besser arbeiten.«
Dass einem spät die Gedanken um die Ohren fliegen und nicht zu fassen sind, hat mir in all den Jahren niemand gesagt. Darin bin ich wirklich gut, aber das kann man ja leider in keine Bewerbung schreiben.

Ich habe in den letzten Wochen zweimal umgeräumt.
Und viermal gesaugt.

How do I use it?

»Hören sie doch mal auf zu laufen.«
– »Erst, wenn ich angekommen bin.«

Damals, als ich zu laufen begann, damals fing alles an. Wir waren, was man ein Team nannte, und du fingst mit dem Laufen an bzw. du warst schon eine Weile dran.
Irgendwann
fing ich an.
Und dann?

Heute würde ich gern jenen Satz der Frau unterschreiben. Aber wie man nie verlernt zu gehen, verlernt man nie zu laufen, und wenn, liegt ein großes Unglück hinter einem. Und dem laufe ich gerade entgegen.
Ich entgegnete außerdem, dass eine neue Studie zwar sage, Mittagsschlaf verringere die Gefahr des Herzinfarkts, aber es gäbe durchaus andere. Doch vielleicht rede ich mir das ein, um mit dem Laufen, welches mir gemütlich geworden ist, nicht aufhören zu müssen.
Nur manchmal, abends, im Moment zwischen Wach und Schlaf,
manchmal ist es ärgerlich, dass ich so müde bin.

Unflätige Kinder

Dass ich Nachbarn habe, die anderswo verachtet würden (indes verachtet man sie auch hier), ist meinen Nachbarn und mir bekannt. Dass sie gottgläubig sind, war mir neu. Jedenfalls scheinen sie Johannes Pauls II. Ausspruch zu kennen und wörtlich zu nehmen:

Die Mitte der Nacht
ist auch schon der Anfang eines neuen Tages.

Ich bin jemand, der an das Gute im Menschen glaubt (manche sagen wahrscheinlich »leichtgläubig«, doch das will ich nicht sein) und drehe mich nachts, wird’s draußen laut, auf die andere Seite und schlafe weiter.

Illuminierter Schreibtisch

Ich glaube auch nach fünf Minuten Getöse im Treppenhaus, zu dem hin meine Wohnung doch hellhörig ist, an ein baldiges Ende und erwarte die bevorstehende Ruhe. Nach einer halben Stunde Umzugslärm (!) nachts um eins (!!) bin sogar ich es leid und stopfe mir wattige Dinge in die Ohren, während ich einen Fluch gen Himmel stoße: »Unflätige Kinder!«

Nun sitze ich noch immer am Schreibtisch, wollte längst fertig sein, habe wegen einer morgigen Deadline den Abend abgesagt und erwarte eine dauernde Nacht, die Koffeintabletten – lange vergessen – liegen bereit, meine To-Do-Liste wird länger statt kürzer.
Ich strecke den Arm in den Himmel und rufe…

Action, Kids!

Heute morgen im Antiquariat habe ich meiner Begleitung versichert, dass ich die Software bis morgen ganz sicher fertig bekomme (eigentlich schon gestern fertig gehabt hätte, wäre nicht ständig etwas dazwischen gekommen), inklusive Dokumentation versteht sich.
So ganz rudimentär läuft sie jetzt auch in zwei von sechs Fällen, dokumentiert ist natürlich noch nichts, von wenigen Zeilen im Quellcode der Art »// Action, Kids!« einmal abgesehen. Allerdings bleiben noch zehn Stunden…

Fallenbeck, Niels (22:29:26): schon gesehen das neue? http://www.wherethehellismatt.com/
Schröder, Christian (23:48:24): das is cool
Fallenbeck, Niels (23:48:32): definitiv
Fallenbeck, Niels (23:48:37): das erste kennst du ja, oder?
Schröder, Christian (23:48:40): ja
Fallenbeck, Niels (23:49:04): hab ich erwähnt, keine lust mehr zu haben?
Schröder, Christian (23:49:10): ja
Fallenbeck, Niels (23:49:17): okay. nicht, dass das untergeht

Das Video ist zwar nicht wirklich neu, aber jetzt auch als QuickTime-Version in hoher Qualität zum Herunterladen. Macht ähnlich gute Laune wie die erste Version.

Nachgeschichten

Wenn man sowieso keine Zeit hat, kommen meist zusätzliche Anforderungen, die vom nicht mehr vorhandenen Zeitkontingent weitere Teile abfordern.

tar

Die bis Dienstag zu lösende Aufgabe im einen Praktikum klingt einfach und fügt sich auf meiner To-Do-Liste zwischen »Softwareprojekt abschließen« und »Gliederung für die Hausarbeit über Vilém Flusser« nahtlos ein. Der vom Betreuer mit einer Stunde veranschlagte initiale Teil nahm den gesamten gestrigen Tag in Anspruch. Heute stehen drei größere Teilaufgaben auf dem Programm, von der die erste bereits vor dem Frühstück unbeeindruckt gegen die Wand lief.

Während das oben angesprochene Softwareprojekt sich dem Ende zuneigt (allerdings längst hätte abgeschlossen sein sollen) und präsentiert werden muss, pocht die Hausarbeit über den »Medienphilosophen« mit Vehemenz an die Tür. Sie wird die Kommunikationsstrukturen im Internet dem Netzgedanken Flussers gegenüberstellen und Hand in Hand mit dem Kommunikationsseminar des vergangenen Semesters gehen, dem sich ebenfalls eine Hausarbeit anschließt.
Flusser hat nicht nur wegen des früheren Abgabetermins Vorrang: Unangenehme Dinge erledige ich gern zuerst. In den vergangenen Tagen kamen allein sechs von ihm geschriebene Bücher, flankiert von Teilaspekten anschneidender Literatur anderer Autoren, denen bis Ende des Monats meine Aufmerksamkeit gilt. Die Lektüre philosophischer und medienwissenschaftlicher Fachliteratur geht auch bei spannenden Themen erfahrungsgemäß langsam von der Hand.

Kleine Messengerkunde

Bei Instant Messengern unterscheidet man diverse Zustände, in denen man sich befinden kann.

  • available bedeutet, dass man für Gespräche zur Verfügung steht und angesprochen werden kann/will
  • away sollte man sich setzen, wenn man für die allgemeine Chatkommunikation nicht zur Verfügung steht/stehen will, weil man sich beispielsweise der Arbeit widmet
  • not available (kurz: n/a) soll deutlich machen, dass man nicht gestört werden möchte. Das gilt insbesondere für das Angesprochen-Werden.

Ich stehe ständig auf away oder n/a. Angesprochen werde ich trotzdem. Wenn ich auf die verschiedenen Zustände (es gibt derer sicher mehr, aber sie lassen sich doch grob in die oben genannten Gruppen gliedern) hinweise, kommt als Gegenargument, dass ich immer ungestört sein wolle. Das bin ich wiederum nur, weil sich kaum jemand daran hält. Und ich soo wenigstens vor den Personen Ruhe habe, die meinen Status ernst nehmen. Sonst käme ich zu gar nichts mehr.
Konsequent wäre es natürlich, einfach nicht auf eingehende Nachrichten zu antworten, wenn man als abwesend gekennzeichnet ist. Viele Messenger bieten die Funktion der Unterdrückung neuer Nachrichten in diesem Status. Eine nähere Beschäftigung damit verbietet mir allerdings mein Gewissen. Aber wenn das so weitergeht…

You can call me Al

Seit ich gestern meinen Füller mit Apollinaris gereinigt habe, bin ich mit seinem Schriftbild wirklich zufrieden. Im Schreibgeschäft neben dem Teeladen liegen die Sechshundert-Euro-Füller in Paraden, während sich der gemeine Fußgänger gegenüber am Ein-Euro-Shop die Nasen plattdrückt.

Das Mittagessen besteht zum x-ten Mal in den letzten Tagen aus einem zwischen zwei Terminen verschlungenen Döner, dafür waren die Besprechung heute nachmittag und das Treffen heute morgen recht effektiv. Erstaunlicherweise habe ich meinen ersten Kaffeeschock um 17 Uhr, so dass meine Finger von der Saunaluft um mich herum noch keine Notiz nehmen.
Wer Freizeit hat, macht etwas verkehrt.

Die Webseiten von Doreen und mir sind providerintern auf einen anderen Server umgezogen, um die Probleme in den Griff zu bekommen (teils war der Datenbankserver nicht erreichbar, dann wieder die ganze Domain nicht). Ich bin richtig froh, mit unseren Seiten der Webkommune den Rücken gekehrt zu haben und ein freundliches und kompetentes Support-Team im Rücken zu wissen, dass sich wirklich sehr schnell um Eventualitäten kümmert.
Fairerweise muss man sagen, dass es seit unserem Weggang auch bei der Webkommune keine Probleme mehr gegeben hat.

Die Zeitung und die Emulatoren

Mein Ausflug in die Redaktionsräume einer mittelhessischen Zeitung ist fast einen Monat her.

Lohneingang

Umso erstaunter war ich, dass auf den heutigen Kontoauszügen ein Geldeingang von eben diesem Verlag verzeichnet war, der mich mit einem Stundensatz von etwa 1,25 Euro entlohnte. Das hätte ich nicht erwartet, da wir nie über die Bezahlung sprachen und mein Abgang ja äußerst plötzlich geschah. Diese Geste finde ich allerdings sehr nett und freundlich.

Weil ich mich im Rahmen des Praktikums mit dem Linux-Kernel beschäftigen muss, aber keine solche Installation mehr betreibe, habe ich mich nach vielen Kommentaren diesbezüglich mit frei verfügbaren Emulatoren beschäftigt, in denen ich ein Linux installieren und am Kernel spielen kann, ohne Sorge um Datenverlust haben zu müssen. Dabei fällt auf, dass freie Emulatoren vor allem eins sind: langsam.

qemu

Der erste betrachtete Kandidat war qemu. Das Einrichten einer neuen Maschine ist nicht wirklich komfortabel, geht aber gut von der Hand. Gerade, weil es für dieses Programm auch grafische Frontends gibt, muss man sich nicht mit den Kommandozeilenparametern herumschlagen.
Die Installation eines rudimentären debian-Systems mit einem 2.6er Kernel über das Netzwerk nahm den gesamten gestrigen Nachmittag in Anspruch (lässt sich aber gut nebenbei erledigen, weil der Computer die meiste Zeit selbstständig arbeitet). Nach einem Blick auf die CPU ist der Grund bekannt: hier wird ein Pentium II mit knapp 18,5 MHz emuliert. Auch wenn solche Angaben mit Vorsicht zu genießen sind, bestätigt das Gefühl die Taktfrequenz des virtuellen Prozessors.

macbochs

Noch gemächlicher ging Bochs zu Werke. Ich kam zu keiner Installation, weil die Boot-CD zu lange brauchen würde. Selbst bis zur dritten Nachkommastelle behauptet die cpuinfo, dass es sich um einen Pentium 60/66 mit 0 MHz (und einem f00f-Bug) handeln würde (mit immerhin 0,81 bogomips, qemu brachte es auf 361). Tatsächlich ist der Grafikaufbau indisuktabel langsam, dass sich die Verwendung dieses Emulators von vornherein ausschließt. Die neueste Version kompilierte allerdings nicht, so dass eine Version aus dem Frühling des letztens Jahres eingesetzt wurde, überdies war die Konfiguration beispiellos vertrackt.

Es muss angefügt werden, dass an den installierten oder gebooteten Systemen keinerlei Optimierung durchgeführt wurde. Für qemu gibt es offenbar ein Kernelmodul, was die Leistung teilweise verbessern soll. Nachdem ich selbst erlebt habe, wie zäh diese Emulatoren arbeiten, mache ich mir aber keine großen Hoffnungen, mit diesem Modul noch etwas retten zu können.
Vielleicht kann ich die Uni überreden, mir für die Praktikumsdauer eine Lizenz für einen kommerziellen Emulator zur Verfügung zu stellen. VirtualPC beispielsweise arbeitet deutlich schneller, dort sind die installierten Systeme ernsthaft verwendbar.

Teebeuter

Meine Chefin schenkte mir gestern einen Karton Tee.
Sie fragte, ob ich grünen Tee mögen würde, was ich – auf eine Tasse spekulierend – bejahte. Ungläubig sah sie mich an und strecke mir dann ein schuhkartongroßes geschenkähnlich verpacktes Behältnis entgegen mit den Worten „das schenke ich ihnen“.
Grüner Tee aus – ich habs vergessen. Es war weit weg.

Meine Tee- und Brüh-Erfahrungen beschränkten sich bisher auf supermarktvertriebene Portionsbeutel, vorzugsweise Pfefferminz und Kamille, eine recht unspektakuläre Teevergangenheit liegt also hinter mir. Wie es von Kosmos den Chemiebaukasten I oder von Märklin das Einstiegsset gibt, suche ich nach einem Starterkit für Teegenuss.
Während ich schreibe, schaue ich auf den Bio-Früchtetee von Westminster (Aldi) herab.
Ich glaube, er schaut nach oben. Und denkt: Wir werden ja sehen.

Ein Glas grünen Tee zum Probieren…
Ich erinnere mich, dass mir grüner Tee schmeckt. Falls man das nicht auch über all die Jahre idealisiert.

Tod eines Kritikasters

Den einstigen Buchhändler, der bis zur Schließung des Großteils seiner Filialen mit Argusaugen darüber wachte, dass keiner der Angestellten pausiert, sitzt oder isst, habe ich heute hinter seiner letzten Kasse sitzen sehen, den leeren Blick auf einen Stapel reduzierter Mangelware.

Mitleid kann ich nicht empfinden, hätte er in seinem verbliebenem Raum noch Angestellte, ich würde ihn dafür hassen. Er hat – das war schließlich ein offenes Geheimnis – seine Angestellten nicht bezahlt, die entweder mit unlauteren Mitteln oder gar nicht an ihren Lohn kamen, bekam trotzdem von der Arbeitsagentur Bewerber zugeschanzt, die bei der Namensnennung des Händlers nichts Böses ahnten. Auf Nachfrage gab sich der Sachbearbeiter im Amt wissend.

Ohne selbst für ihn gearbeitet zu haben, bekam ich viele Kleindramen mit. Dass mir der Hals platzte, ist das letzte Kapitel unserer Geschichte, kurze Zeit später konnte er die Miete seiner Büroräume nicht mehr zahlen. Wohin es die monatelang unbezahlten Vollzeitkräfte verschlug, weiß ich nicht. Ahne aber wohl, warum die ganze Geschichte den Bach runterging:

Der Chef war ein, wie man sagt, Arschloch wie es im Buche steht, stets laut, unbeherrscht, ein Aasgeier mit Mundgeruch, der über die Einhaltung oben genannter Prinzipien herrschte. Sein Sortiment war grotesk. Zwar kenne ich weder Verkaufszahlen noch statistische Erhebungen, dass seine Warenauslage aber kaum Passanten ansprach, war wohl jedem außer ihm selbst klar. Er war unbelehrbar, rechthaberisch und pleite.
Und nicht bereit, über seine Situation nachzudenken.
Seine Domain funktioniert auch lange nicht mehr.