I have a friend named foe

Wenn ich in Marburg sitze im Café am Grün – den Drang zum Vergleich hatte ich ja neulich erst thematisiert – dann fängt mich vor allem (neben der Selbstbedienung) dieser Aspekt und gibt mir das Gefühl der Heimat und des Hier bin ich richtig: Im Roten Stern wird mit Vertrauen bezahlt: Man holt die Getränke selbst an der Theke – es ist die gleiche geblieben über all diese Jahre, seit ich sie kenne, selbst die Gesichter dahinter wechseln nur selten – man kennt sich und wenn man geht, bezahlt man auf dem Weg hinaus in die Stadt.

Stühle im Roten Stern

Manchmal ist schwierig, sich an alles zu erinnern, das man trank und aß an diesem Tag. In meinem Notizbuch finden sich zahlreiche eingeschobene Strichlisten auf sonst leeren Seiten, mit denen ich mir die Getränke merkte bei ausgedehnten Besuchen. Ein einziges Mal vergaß ich zu zahlen, nachts fiel es mir ein. Am nächsten Morgen sprach mich eine an und fragte, ob es sein könnte, dass ich gestern das Zahlen vergessen hätte. Nicht böse, nicht vorwurfsvoll, vielleicht ein bisschen unsicher und ja: Ich wäre wahrscheinlich davongekommen, hätte ich es versucht.
Aber: So funktioniert dieses Café nicht. Sie vertrauen den Gästen, und diese sind (auch) deswegen ehrlich.

Kaffee an der Lahn

Ich habe Bedenken, dass dieses System in anderen Städten (zum Beispiel hier) ähnlich gut funktioniert wie in der kleinen Stadt an der Lahn. Ich grüble darüber, wie sich dieses Konzept übertragen lässt in einer Form, die auch hier umsetzbar ist und sich abhebt von den Vorstadtcafés, die den Münchener Chic anziehen, dem Pavesi, vor dem Geländewagen ständig in zweiter Reihe parken oder dem Tambosi, vor dem die Menschen sitzen wie am Rande eines Circus Maximus, durch den moderne Gladiatoren ihre Kompensationen für ihr KPI-gesteuertes Leben im Hamsterrad treiben. Das ist – natürlich – ein Traum und ein Traum wird es die nächste Zeit bleiben.

Vogel am Grün

Denn zur Zeit arbeite ich im Bereich der IT-Security, in dem ich acht Stunden am Tag von einer Welt ausgehen muss, in der jeder den anderen angreift und ausnutzen will. Eine Welt, die das Gegenteil dessen ist, weswegen ich den Roten Stern liebe.

Ambassador of Love

Das ist ein versöhnliches Wetter. Gerade hat es begonnen zu rengen, und in Kombination mit einem Feiertag ist das ein Wetter, das es gemütlich macht. Ich hatte gehofft, dass es in den letzten Tagen durchregnen und sich gegen Ende (heute!) aufklaren würde, denn da waren drei Räder, die repariert, gewartet, kurz: zerlegt und wieder zusammengebaut werden wollten. Und am Ende könnte man sie dann fahren.

Back

Ich hatte mich dafür vor unserer Fensterfront eingerichtet, den Teppich zur Seite geschoben und das Werkzeug sortiert; in Gedanken schien mir das eine romantische Vorstellung, während draußen der Regen an die Scheiben schlägt innen Rennlenker neu zu wickeln und Schaltungen zu montieren. Doch bei Sonne kann man die Fenster öffnen und die Sätze derjenigen klingen hinauf, die unten für ein Eis anstehen oder bereits eines bekamen. Das ist besser als Fernsehen und es ist ernüchternd, worüber unten gesprochen wird und wer wem was präsentiert. Ich weiß nicht, ob es an München liegt oder der Schickeria, für die ein Eis aus diesem Geschäft ein Statussymbol ist wie das Auto und wie die Kleidung. Nach zwei Fahrrädern hat man schließlich keine Lust mehr, in München zu leben, weil sich aus der Art und Weise jener dort unten die tägliche Erfahrung, das tägliche Handeln in der Stadt ableiten lässt.

Ugo de Rosa

Ein Freund erzählte mir vor wenigen Wochen, im Frühling stürben die Menschen. Letzte Woche hat zwei das Leben gekostet, unabhängig voneinander und mir bestenfalls entfernt nur bekannt. Und doch: Auf dem Weg in die Kaffeerösterei hat mich die Nachricht auf Twitter erwischt und mir an diesem Tag die Laune verdorben. Wir kannten uns eigentlich nicht, zweimal haben wir uns vielleicht geschrieben, kurze, 140 Zeichen lange Nachrichten. Und draußen schien verhalten die Sonne.

Cinelli Alter

Und unser Besuch war auf dem Weg an den See. Man muss sich die Leute einladen von draußen, die man zu selten sieht und an die man tagelang denkt. Es ist nicht, dass man in der neuen Stadt keine Freunde gefunden hat, und doch hängen die Gedanken fest an Orten und Menschen aus vergangenen Tagen: Ich messe jedes Café am Roten Stern, jede WG an meiner alten und meinen Arbeitsweg an meinem alten, an der alten Abdeckerei vorbei durch den Wald hinauf auf den Berg.

Steuerrohr of Love

Dafür hat es hier unten die Seen und die Berge, es hat die Straßen, die sich am Berghang hinaufschrauben und den Chiemsee mit dem Tegernseetal verbinden. Und manchmal setzen sich feiertags im Café – das ist mir früher niemals passiert – schwäbische BWL-Studenten neben dich, vielleicht sind sie ein Paar, und reden über Messestände von Luxusuhrenherstellern.

From Step One, To Nothing

Ja nein, einerseits andererseits.

Das ist alles nicht wirklich wichtig, was du erzählst. Zwischen wichtig und richtig liegt nur ein einzelner Buchstabe auf der deutschen Tastatur. Belanglosigkeit und stolz auf die eigene Leistung; ich weiß auch nicht, warum es mich nicht interessiert. Ist es so etwas wie Neid? Ist es einfach nur Desinteresse? Klar, das Zentrum Deiner Welt bist Du, natürlich ist Dein Blog ein Brennglas über diesem Ökosystem.

Walk, don't run!

Eine Freundin hat für ihren Sohn eine Welt in einem Einmachglas gebaut, in der es sogar regnet, wenn es lange genug in der Sonne steht. Irgendwann war die rettende Frischhaltefolie kaputt, die diese von der echten Welt trennte. Dort draußen gibt es eine Menge, das Deine Welt ernsthaft gefährdet; Frischhaltefolie mag nicht verrotten, doch ewig hält Frischhaltefolie nicht.

Du und Deine Echokammer.
Du hältst Dich für wichtig, nur weil Du ins Internet schreibst, bist Du es nicht. 

– t: Tias Carlson

Put me back on my bike!

Wenn ich zur Zeit abends lese, dann Biographien und Erlebnisberichte. Und weil ich zeitgenössische Literatur lese, ist das manchmal etwas schwierig mit der Qualität der Bücher: Die alten Meister sind bewährt, der Rest aussortiert, und wenn man einen Brecht, einen Lenz oder einen Mann aus dem Regal zieht, weiß man, was einen erwartet. Nimmt man hingegen einen Löhle oder Moore, einen Fignon oder einen Fotheringham zur Hand, steht lediglich das Genre fest. Und da ich gerade Biographien und Erlebnisberichte von Radfahrern lese, bleibt mir nur zeitgenössische Literatur.

Galopprennbahn

Der Ausschuss liegt bei fünfzig Prozent. Ein zum Glück nur geliehenes Buch mit Kolumnen habe ich nach den ersten zehn Seiten zurückgelegt und überlege seitdem nach einer galanten Antwort auf die Frage »Na, wie war’s?« und ein Bericht über die erste lange Radtour eines englischen Nicht-Radfahrers war nicht ganz so desaströs, hat aber ihre humoristischen und erzählerischen Längen. Dem gegenüber stehen zwei Biographien und dies lässt zwei Schlüsse zu. Der erste ist, dass über das Radfahren nur schreiben sollte, wer es beruflich betreibt. Der zweite, mir weitaus sympathischere ist, dass Journalisten keine Bücher schreiben sollten. Ich kenne nur ein einziges Gegenbeispiel und dieses Buch ist ein beinahe fiktiver Roman.

Einfahrt zum Autokino

Fasst man die deutsche Kolumnensammlung und den englischen Reisebericht zusammen und macht einen Landstrich daraus, wäre es ein Brachland wie der Münchener Norden. Ich war – man könnte es beinahe so nennen – geschäftlich unterwegs und hatte am Flughafen etwas zu erledigen, daher fuhr hinauf zum Speichersee und weiter zum Flughafen. In dieser Richtung sind die Straßen unbequem, die Gegend meist diesig – heute verdunkelte sich die Sonne, als ich das Münchener Ortsschild passierte – und aus den Bächen, an denen ich fuhr, griff die Natur mit klammen Fingern nach mir. Hallbergmoos ist ein bisschen wie Neukölln im Nebel.

Am Flughafen

Die letzten Worte Tom Simpsons vor seinem Tod am Mont Ventoux waren übrigens nicht Put me back on my bike! Sein Mechaniker sagte, es war ein gestammeltes Wort, dreimal wiederholt:
Los, los los!

Statt Karten

Immer wenn ich in eine andere Stadt reise, in der ich lange nicht oder vielleicht nie gewesen bin, werden die Vorsätze nie Realität. Ich plane, dass ich mich in Cafés setze, schreibe, lese und mir über einige Dinge klar werde, über die ich mir klar werden muss. In der Realität finde ich das Café dann nie, das ich mir ausgemalt habe, und sowieso laufe ich die weitesten Strecken zu Fuß und bin permanent mit meiner Orientierung und dem Stadtplan beschäftigt, so dass sich die Gedanken erst Bahn brechen können auf den bereits bekannten Wege drei oder vier Tage nach meiner Ankunft, wenn man ein erstes Gefühl entwickelt hat für die Stadt.

Café Montmartre

Montmartre

Und das fiel mir noch auf: Berlin und Paris spielen in der gleichen Liga, was Hundekot auf den Gehwegen betrifft. Als wir Paris Sonntag morgens erreichten und die Stadt noch nicht wirklich erwacht war, bot der ein oder andere Trottoir ein denkwürdiges Bild. Vielleicht ist das eine unfaire Situation, zur Unzeit zu kommen und die Stadt am ersten Eindruck zu messen. Doch da meine Berliner Zeit auf einen Winter fiel, ist der Vergleich nicht ganz so schief, schließlich sind Winter für Städte stets ungünstige Zeiten. Möglicherweise habe ich einen Charme für’s Morbide, fotografiere ich Szenen, die – genommen für sich – jede Stadt trostlos und verfallen zeigen. Und doch: Es sind nur die ungekehrten Ecken, es ist nur das eine Gebäude, das einstürzt.

Montmartre

Montmartre

Ich habe in den letzten Tagen einiges an schlechterer Fahrradliteratur mit nach Frankreich getragen und dort gelesen. Doch die Biographie von Laurent Fignon sticht positiv heraus und so zufällig man auf einem Friedhof spazierengehen kann und so zufällig man in den Hof des Krematoriums abbiegt, so zufällig steht man irgendwann vor seinem Grab. Es liegt direkt neben dem Urnengrab mit der Nummer 1436 auf dem Cimetière du Père Lachaise, falls ihn jemand sucht.

Der Graf von Saint Germain

Wir haben mehrere Schlüsselbünde: Jeder von uns den eigenen und darüber hinaus wartet immer ein weiterer Satz Schlüssel auf Gäste. Und ich habe das Ritual: Kurz vor einer Urlaubsreise lege ich meinen Schlüsselbund weit hinten in die Schublade und nehme jenen für Gäste, eigentlich nur, weil er weniger aufträgt und leichter ist. Aber dieser unscheinbare Schlüsselbund murmelt zugleich: Das ist der letzte Tag für einige Zeit in dieser Wohnung. Dann kommen die Gäste, man ist beschäftigt mit Kaffeebohnen mahlen und kochen und irgendwann Abends geht schließlich der Zug.

Paris

Paris

Das hat bei der Transalp schon nicht so wirklich gut geklappt: Natürlich könnte man über jeden Tag in Paris einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Man kann beispielsweise erwähnen, dass die Kellner in den Cafés jenen in Wien Konkurrenz machen, doch vielleicht liegt das nur an den Vierteln Quartier Latin und Saint-Germain, in denen wir vorwiegend nach einem Frühstücksplatz suchen. Doch heute in einer Pâtisserie war man wirklich bemüht: Dort sprachen sie kein Englisch und ich komme bei Lebensmitteln schnell an die Grenzen meines Französisch, von dem ich noch etwas aus der Schulzeit herübergerettet habe. Nachdem beinahe eine Karaffe Wasser unbeabsichtigt an unseren Tisch gelangte, kamen schließlich doch der richtige Tee und fabelhafte Tartelettes, für die allein eine Radtour aus München schon lohnt.

Petit Four

Paris

Paris bei Nacht

Irgendjemand hat mir letztens erklärt, wie das mit den Weightwatchers-Punkten funktioniert. Und obwohl ich hier Sport bestenfalls passiv betreibe und Fahrräder nur durch die Kamera betrachte, werde ich keineswegs schwerer. Weil wir den Mont Ventoux von Paris zu Fuß besteigen – den Montmarte – um oben nur einen Espresso zu trinken und vielleicht eine winzige Torte zu essen, wirklich vernachlässigbar, kaum zu erwähnen.

Gegenwind formt den Charakter

Ich weiß nicht wofür du brennst
du glühst noch wenn du sprichst
von einer traumhaften Kindheit,
dem Stromspar-Bettlicht
und die Leuchtmasten werfen gelben Strom auf den Asphalt

Ich bin heute morgen Bestzeit gefahren auf der täglichen Strecke am Fluss raus ins Büro und doch bin ich unsicher, das Rennen zu gewinnen auf dem vorgesehenen Kurs, ob nicht vielleicht abzufahren und eine andere Strecke zu wählen eine gute Möglichkeit ist. Um abzukürzen vielleicht, möglicherweise ist die Strecke einfach schöner, unbekannt. Mag sein, dass da eine Rampe kommt, der Puls in den Spitzenbereich schießt und du einige Minuten bergab brauchst ohne zu treten, um dich zu erholen.

Bücher

Buch

Dort unten warten die Pässe, hier wartet nur das flache Land, über dem zwar oft die Sonne scheint, doch über das stadteinwärts ein starker Wind bläst wie eine Wand. Es soll noch einmal kalt werden in den kommenden Tagen. Ich nehme am Samstag den Nachtzug nach Frankreich; ich reise mit leichtem Gepäck.

Es ist mir egal
ich wünsche mir jemanden,
der nicht mehr geht
mit einem festen Halt

t: Die höchste Eisenbahn – Tschernobyl

The Ballad of Banjo Betty

Mit seiner runden Nickelbrille, die nur Lehrer tragen können und seinem groß karierten Hemd fragt er, ob der Platz neben mir frei ist. Er holt seinen Papierordner heraus, in dem zuoberst das selbstausgedruckte Bahnticket liegt, akkurat verpackt in einer Klarsichthülle, und auf einem Stapel Klausuren aus dem Unterrichtsfach Wirtschaft. Mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht und er hat längst zu korrigieren begonnen, als ich mit einem Blick das Deckblatt der Arbeit von Jennifer B. erhasche.

Messestand

Routiniert geht er die einzelnen Absätze durch, in beeindruckendem Tempo, und nickt anerkennend, während der in seiner rechten Hand ruhende Rotstift Zeichenkolonnen der Art »3/3« an den Rand der Blätter schreibt. Ich kann mich an keine meiner eigenen Klassenarbeiten erinnern, bei der ein Lehrer ein ähnliches Gefühl gehabt haben könnte wie dieser Wirtschaftslehrer an diesem Freitag Abend um kurz vor Mitternacht im ICE auf dem Weg von Hannover nach München.

Messestand später

Ein versöhnliches Ende nach einer versöhnlichen CeBIT. Ich mag, wenn die Messehallen beschallt werden von einem einzelnen Stand, der irgendwie immer die passende Musik spielt, wenn sich die Anspannung löst, die Tore sich öffnen für eine Armee von Menschen, die Kisten schieben, die Messestände zerlegen und alles sentimental klingt. Nicht, dass ich die CeBIT nächste Woche schon wieder bräuchte…
So viele Klausuren, wie es für diese versöhnlichen Enden bräuchte, kann man nicht schreiben.

Skywalk

Jennifer, das war eine echt gute Arbeit, eine beeindruckende Leistung. 

– t: Thomas Dybdahl

Ein quietschendes silbernes Bianchi

Wenn man um zehn Uhr mit dem Rad Richtung Odeonsplatz rollt, um diesen hinter sich zu lassen und irgendwann in den Perlacher Forst abzubiegen auf die geteerte Stichstraße, die sich fünf Kilometer schnurgerade in den Süden streckt, ist alles weit weg: Die Stadt bereits – denn hinter dem Wald wird es ruhig – und auch das Ziel. Man macht sich keine Vorstellung davon, man genießt den Ausblick, die kleinen Schönheiten, an denen man vorüberzieht und die sich häufen, je weiter südlich man kommt. 

Straße

Bushaltestelle

Ich habe gestern etwa zwanzig Mal daran gedacht, wie es wohl ist, hier zu leben. Im Vorbeiziehen idyllisch, vielleicht unerträglich, wenn man seine Ruhe vor den Nachbarn haben will. Es ist nicht so, dass ich Menschen nicht mag, doch es gibt Tage, an denen möchte ich niemanden sehen außer mir selbst. An solchen Tagen dann kann es anstrengend sein, wenn das Grundstück nicht groß genug ist oder die Hecke zu klein.

Haus

Hof

Während man auf einen Einschnitt in der Bergkette zurollt, den Gasthof zur Post in einem der kleinen Dörfer linker Hand passiert, erreicht man irgendwann die kleine Hütte eines lächelnden alten Mannes mit wettergegerbten Gesicht, der einen durchwinkt und murmelt »Radfahrer frei«. Auf den nächsten Kilometern sieht man kein Auto und irgendwann zweigt von der Mautstraße ein kleiner einspuriger Weg ab, der einen hinaufbringt auf die Höhe des Sees. 

Berganstieg

Walchensee

Die Hälfte der Strecke liegt hinter einem, doch jetzt hat man kaum mehr ein Auge für jene Orte, die man durchquert. Ob es am Wind liegt, an der Landschaft, die einem nun langweilig erscheint oder an der eigenen Unaufmerksamkeit, ist schwierig zu sagen. Manchmal denke ich mir: Achte nicht auf dein Knie, achte auf den Zwiebelturm der Dorfkirche und die Berge zur Rechten, die du bald nicht mehr siehst. Das ändert sich erst, als man einbiegt zur Isar, abseits der Straße. Und dann ist man plötzlich am Kloster Schäftlarn.

Campagnolo Record Ergopower

Isar

Das Quietschen kennst du, es sitzt dir im Nacken am Fuße des anderthalb Kilometer langen Anstiegs, es treibt dich den Berg hinauf. Du willst dich nicht umdrehen – wie sähe das aus! – und oben hast du kurz das Gefühl, dass du es abgehängt hast. Doch vor der letzten Kurve, die Sonne im Rücken, taucht sein Schatten neben dir auf und du beschleunigst den Tritt trotz Schmerzen im Knie. Ein Bayreuther Kulturredakteur auf seinem quietschenden Bianchi hat dich den Berg hinaufgepeitscht und du hast ihn gezogen. Die letzten dreißig Kilometer fahren wir zusammen und er zeigt mir eine schöne Strecke stadteinwärts, die ich noch nicht kannte. Er ist Schuld, dass ich heute ein wenig humple.

Ich liege Viernull vorne, das ist ein sicheres Ding!

In diesem Café war ich am Dienstag zum ersten Mal. Es liegt auf dem Weg ins Büro, wenn man eine geschickte Route wählt, und es liegt in der Nähe unserer Wohnung. WLAN haben sie nicht (und es scheint, als macht genau das dieses Café angenehm ruhig), dafür eine Tageskarte mit veganen Gerichten, selbst gemachte Limonade und Sojamilch in den Kaffees. Vormittags scheint die Sonne durch die bodentiefen Fenster – als ich ankam, waren alle Plätze außen besetzt. Es ist Freitags eine gute Alternative zu der Wiese am See, die zehn Kilometer nördlich den halben Weg ins Büro markiert.

Café Josephina

Leute, dir mir in sozialen Netzwerken folgen, kennen einige der Fotos, die aussehen, als hätte ich Urlaub. Doch die Kunst ist, die Details nicht zu übersehen oder sie gar zu ignorieren, denn man hat vielleicht einen Termin schon vor Neun! Man muss vor kleinen Cafés und Konditoreien anhalten, das Fahrrad anschließen und sich einige Minuten Zeit nehmen für einen Cappuccino und ein Croissant; man darf sich nicht hetzen lassen, denn Zeit ist kein Geld.

Wiese am See

Ich habe das Glück, dass es egal ist, ob ich meine Texte und Anträge in einem Industriegebiet im Münchener Norden schreibe (von dem hier naturgemäß keine Fotos zu finden sind) oder an einem anderen der zahlreichen Orte der Stadt: In der Universität, in dem Café von 1960 oder eben in diesem kleinen Einraumcafé, das als Nachtisch einen übrigens ganz ausgezeichneten Apfel-Marzipan-Kuchen serviert.

Fenster zur Torte (Symbolfoto)

Eine Parallelstraße weiter liegt eine Konditorei, die weithin bekannt ist für ihre hervorragenden Torten. Es wäre grob fahrlässig, nachher nicht diesen Bogen zu fahren, bevor ich in den Süden der Stadt aufbreche zu einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden. Denn mein Großvater wusste bereits: Wer viel arbeitet, der muss auch viel essen.

Arbeitsweg