In unmittelbarer Ferne

995er Tief über Island
Und ich häng zu Hause
Fotos an die Wand

Wenn es mir gut geht, schreibe ich über Sonne, geht es mir schlecht, schreibe ich über Regen. Mich zieht es zum Wasser, ich liebe den Hafen, ich liebe die Bahnhöfe und ich liebe die Züge.

Draußen scheint die Sonne, drinnen singt eine Norwegerin ruhige Lieder, davor sitzt jemand und arbeitet. Es ist Freitag, ein Wochenende steht vor der Tür, auf das sich jemand sehr freut. Die Welt getaucht in harmonisches Licht, irgendwo draußen fährt irgendwo irgendjemand herum, dem diese Lieder gelten, dem diese Musik gilt, dem die Bilder im Kopf von jemandem gehören, der jemandem Post-Its an die Wände geklebt hat, die heute noch hängen, die in einhundert Jahren noch hängen.
In geschichtsschwangeren Häusern, in denen sie sich umarmten.

725 Stufen steig ich täglich
Beim Versuch zu vergessen
Scheitere ich kläglich

Sportfreunde Stiller – 995tief über Island

Storm-broken Tree

Das Letzte, was ich von dir sehe, ist deine Hand, die winkend hinter dem Fensterrahmen meines Zuges verschwindet. Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen, ich weiß nicht wo. Draußen bilden vorbeifliegende Regentropfen Linien, scheinbar einem unsichtbaren Fluchtpunkt zusteuernd.

Als die kanadische Band ihre traurigen Lieder singt, stehe ich in Gedanken noch mit dir am Bahnhof. Dein Zug ist sicher gerade gekommen, auch du verlässt diese Stadt, scheinbar einem unsichtbaren Fluchtpunkt zusteuernd.

Wir treffen uns an dessen Ende,
irgendwo weit draußen
hinter meinem Horizont.
So lange denke ich an dich.
So lange vermisse ich dich.

Wenn du vorbeifährst, kann ich nicht halten

Du warst da, ich konnte nicht bei dir sein. Wir standen Schulter an Schulter, du warst unendlich weit weg. Als hätte wer den Schalter umgelegt;
Ich konnte kaum mit den Menschen, die so wichtig für mich wären.

Und dann war der Abend vorbei
und der Morgen war da.
Auf der blauen Couch, viel zu kurz, wie die Nacht. Wir saßen zerstört
den Abend in den Knochen.
Wir haben den Kopf geschüttelt, die Gedanken zu ordnen.

Wir ziehen die Sonnenbrillen tiefer ins Gesicht;
Wir können besser denken, wenn es dunkel ist.

Let’s pretend this coffee is champagne

»Wie war’s eigentlich in Weimar« werde ich fragen und du wirst es mir sagen und dann werden wir abschweifen bald, denn nach einer Stunde ist jedes Thema alt. Vielleicht werden wir Bogen schlagen und irgendwann werde ich bestimmt wieder fragen »Du warst doch in Weimar, wie war es?« Und dann machst du dieses Gesicht und ich komme mir kurz vor wie erwischt.

Reasonable Fear

Vielleicht haben wir einmal – ich werde es hoffen – vertauschte Rollen und du schaust betroffen wenn du mich fragst, wie das damals nun war, mit der alten Kulturhauptstadt Europas, mit Weimar. Und ich werde sagen »Du kannst es dir denken, ich bin sozusagen ein Held des Verdrängens. Doch Erwischt! Ich war nie in Weimar, ich hab’s nur gebloggt. Darum schreib ichs auf. Denn habe ich jemals das hier vergessen, lies diese Geschichten, das musst du versprechen!«

(Foto via FOUND Magazine)

«Glücklich sein ist für Idioten»

Das Schild in dem Café, dass mir in den letzten Wochen wichtig und sympathisch wurde, hätte ich gestern um den Hals tragen und heute ignorieren können.

Als ich sagte, ich würde dich fangen, wusste ich ja nicht, dass du so zickzack fallen würdest.

sagte eben ein Freund und zitierte einen anderen. Ich denke an jemanden, der sich vernachlässigt fühlt und von dem ich gestern wieder merkte, wie wichtig mir dessen Freundschaft eigentlich ist.
Wieder schwöre ich Besserung, wieder sage ich mir, dass es so nicht gehen kann.

Ich erkenne mich im Satz und danke jenen, die unten warten. Jenen, die hochwerfen.
Das hatte ich schonmal. Und diesmal hoffentlich mehr daraus gelernt.

My life in headlines: Milchkaffee und Freundschaft

Nach Sonne, Veranda, Kaffee und dem Gespräch fühlt sich das immer besser an. Auf seine Frage antworte ich wahrheitsgemäß «Nach Hause kommen» und er, dass er das in meinem Alter wohl auch gesagt hätte. «Und dann» frage ich «was ist dann passiert?», erwische mich jedoch dabei, wie ich mich in der letzten Zeit oft ertappe: denkend statt redend.

Sie sagt, dass sie endlich gehofft habe, sich nicht mehr sorgen zu müssen. Ich kann nur unschuldig schauen, dass es seit jeher unnötig gewesen sei und – das tue mir leid – es wohl in Zukunft nicht deutlich besser werden würde. Vielleicht sollte ich ab jenem Zeitpunkt, an dem ich meine Schuhe ausziehe, nicht mehr darüber reden.

Sie sagt, ich falle von einem Extrem ins andere. Und er, dass ich auf der Suche nach Orientierung immer Vorbilder hätte. Ich denke: «Erwischt» und an das Gespräch mit ihr, in der es um Authentizität ging.

Ein Geisterschiff treibt still umher

Das war die Einweihungsparty, von der ich dachte, ich kenne zu wenige.
Auf die Idee Kennenzulernen kam ich erst spät. Alle waren sie da. Julia, Doreen, der Popkulturmensch und Peter. Und du, mit der ich mich auf Höhe des Hauptbahnhofs über Hormone unterhielt. Es ist nur manchmal ärgerlich, dass ich mich gar nicht auskenne.

Wir haben Dinge getrunken, wir haben Dinge gegessen und wir haben nebeneinander gesessen.

Man gab mir soeben das Geschenk meines Lebens:
das Wissen von einem Ende der Nacht.
Ich war wiederstrebend, doch es blieb an mir kleben,
als hätte es einer an mir festgemacht.

— Tocotronic – Das Geschenk (was du langweilig fandest)

Lovesongs von gestern sind kalter Kaffee

Meine Liebe,

ich gehe einfacherweise davon aus, dass du hier liest. Immerhin hast du dich nicht wieder gemeldet, was nur im Hinblick auf die letzte Konversation am Bahnsteig als nicht außergewöhnlich erscheint.
Ich sagte, ich melde mich später irgendwann. Und dass ich dir Musik mitbringe, weil du mir erzählst, dass dir Musik die ich höre, gefällt. Und natürlich kann ich dir alles, aber gerade nicht meine liebste Musik geben, sie wäre dir sofort unerträglich, was vermieden werden muss, schließlich ist es Musik, die ich liebe. So hast du sie selbst zu finden, ich kann sie unmöglich verraten an dich; gäbe ich dir je etwas, dann nie, was mir am Liebsten ist.

Das, du ahnst es, ist ein denkbar schlechtes Fundament für uns zwei. Wenn ich erzähle von damals, rede ich immer vom »Priesterseminar«. Der Begriff, den wir beide unendlich different auslegen, beschreibt gerade darum gut, was ich meine. So kann ich dir doch nur den Hesse empfehlen. Den, glaube ich, mögen wir beide.
Was haben wir disputiert! Damals auf dem Weg in die Stadt, ich für die Wissenschaft und du religiös wider mich. Vor einhundert Jahren hätten wir einen veritablen Briefwechsel auf die Beine bekommen, doch die Zeiten haben sich geändert. Vielleicht liest du ja mit:

Machs gut.

»Eine Einsendung toter Tiere per Post ist nicht sinnvoll!«

Vermutlich hast du gerade ganz gute Chancen, erwischst du mich doch in einer Zeit der Empfänglichkeit; ich sinniere manchmal darüber, wenn ich im Bett sitze, der Kater um die Beine streift und sich in die Beuge des Ellbogens fallen lässt um zu sagen: »hiergeblieben«.

Ich hab gebastelt!

»Mitnichten« raune ich ihm zu, »wer weiß, wo wir schon morgen sind«.

»Ich kann nicht« sagst du und dann versagt deine Stimme. »Ich weiß« und lege die Hand auf deinen Arm, »man muss auch nicht immer«.

(Titel via Süddeutsche Zeitung.)