Ist es denn so schwierig, ein Gefühl für Design zu entwickeln, ein Gespür für Form und Funktion, ein Urteilsvermögen über die guten Dinge und über die schlechten? Uns gelang es in den vier Jahren, in denen ich in der Gruppe meines Doktorvaters gearbeitet habe, einen Eindruck zu hinterlassen – was mir ein Freund hinter vorgehaltener Hand verriet: Auf Konferenzen und Meetings konnte man unsere Präsentation, unsere Bilder stets unterscheiden von denen der andern. Weil die Bilder gut aussahen und nicht im unsäglichen Microsoft-Visio-Isometrik-Stil daherkamen. Weil wir wenige Farben verwendeten, die nicht in den Augen brannten. Man sagte, unsere Gruppe sei erkennbar an den schönen Grafiken und Präsentationen.
Man kann rot abstufen!
Man muss rot gar nicht verwenden!
Was ist mit Flieder oder pastellenem Grün?
Ende letzter Woche legte eine Kollegin eines jener Bilder auf meinen Schreibtisch. Ich fand die Grafik schlecht und die Anmerkung schlimm, sie käme von einer Grafikerin. Die Kollegin indes führte Präsentationen der großen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften als Positivbeispiele für gutes Aussehen ins Feld. Allein: Alle – alle! – die ich von ihnen bisher sah, fand ich langweilig und gleichgeschaltet, Business-Standard-Einheits-Gewäsch. Ideenloser Murks. Liebloser Dreck.
Doch damit ist sie in guter Gesellschaft. Es geht vielen entweder so oder sie sind nicht bereit, Zeit zu investieren für ein einzelnes Bild. So gibt es tausende Dinge; erst eben besuchte ich die Webseite einer Firma, im Pressebereich einige Bilder. Neben dem Download in Druckqualität konnte man die Bilder im Browser betrachten. Aber: Warum kann ich nicht auf die (vorhanden) Miniaturen klicken sondern muss einen kleinsten Pixelhaufen treffen rechts unten neben dem Bild? Ist ein direkter Link von einer Miniatur zu einer Großansicht wirklich so schwer zu begreifen?! (Nehmt euch meinetwegen den Quellcode vom Bild dieses Eintrags!)
Diese Tatsachen machen mich – als Einäugigen unter Blinden (denn wirklich gute Grafiker spielen natürlich ein paar Ligen höher) – sicher in zweierlei Hinsicht:
- Es ist nicht schwer, in diesem Umfeld zu glänzen, den Ruf mitzunehmen oder wieder aufzubauen wo immer ich bin.
- Es wird Ärger geben meiner Verweigerung gegenüber der Grafikerin wegen, die sich mit jener ersten Grafik empfahl.