Zensursula (oder: Von Laien regiert)

Dieser ganze Kinderpornoscheiß gehört ausradiert.

Das ist der Kernsatz, in dem ich mit unserer Bundesregierung übereinstimme. Spreeblick hat eine Protestaktion gegen Internetsperren ausgerufen und die beiden Meme, aus denen ich den Titel für diesen Blogeintrag gebildet habe, finden sich zuhauf in den (Micro-)Blogging-Diensten. Irgendeiner der Einträge, über die ich gestolpert bin, eröffnet mit dem Zitat des Artikels 5 des Grundgesetzes: «Eine Zensur findet nicht statt.»
Dass eine Zensur grundfalsch ist, hat wohl auch die Bundesregierung eingesehen und scheint bereits etliche Ausnahme von den Sperrmaßnahmen festzulegen. So müssen nicht sperren:

  • staatliche Dienste (Hochschulnetze, Behörden-Provider, …),
  • kleinere Provider mit weniger als zehntausend Kunden.

Hier lässt man also absichtlich Schlupflöcher (um dem Vorwurf der Zensur argumentativ begegnen zu können?).
Wie sollen die Sperren technisch realisiert werden? Über die Nameserver der Provider? Dann verwendet man eben einen freien, unabhängigen Server. Dieser Ansatz wäre eine so technische Glanzleistung wie der Bundestrojaner, der für IT-Spezialisten nicht ernstzunehmende Rohrkrepierer (gibt es eigentlich eine technische Beschreibung dieses Stücks Software?).

Wenn die Regierung also offensichtlich (!) kein Interesse daran hat, jene Menschen zu überwachen (denn sie muss von diesen technischen Gegebenheiten wissen, lässt sie sich doch (hoffentlich!) beraten von Menschen, die hier kompetent sind), die tatsächlich Urheber des Übels sein könnten, die sich mit der Materie halbwegs gut auskennen (Kinderpornoanbieter oder Terrororganisationen haben einen Netzwerkadministrator, der sich sehr gut mit der Technik versteht – Und Jörg Tauss, von dem man schon lange nichts mehr hört, hat sich kinderpornografisches Material abseits des Internets beschafft und wäre mit einem Sperrfilter nicht daran zu hindern gewesen), wen wollen sie dann überwachen (und warum)?

Gilt das Argument, dass selbst wenn nur eine einzige Person daran gehindert wird, auf eine Kinderpornoseite zu surfen, all die getätigten Aufwendungen gerechtfertigt sind?
Wer dieser Argumentation folgt, hat auch nicht verstanden, dass man Probleme nicht (erst) anhand der Folgen löst.

Ein einfacher Herr

Wir sind nur Schatten (dafür zu zweit)

Er fragt sehr leise, bedacht, ich muss mich nach vorn beugen, um ihn zu hören. Dabei umfängt mich ein Hauch seines Atems, der nach Nikotin und Alkohol riecht. Ob ich Kleingeld hätte für etwas zu Essen; ich verneine wahrheitsgemäß, habe zwei Minuten vorher mein Kleingeld eingetauscht in jenen Becher Kaffee, der vor mir steht auf dem Tisch und auf den ich während meiner Antwort zeige. Er schaut erst zu ihm, dann zu mir, aus traurigen Augen.

Ein Beamter des Sicherheitsdienstes tritt an uns heran, auch er hat eine Frage an mich. Ob dieser Herr, wie er ihn despektierlich nennt, mich… weiter kommt er nicht, ich sehe ihn nach Worten ringen, die er nicht findet. Auf mein Verneinen reagiert er erstaunt und fragt wieder. «Ich weiß, was du willst« denkend sage ich »Nein.« Er wünscht einen schönen Tag und bleibt in der Nähe.

Ich will gerade meinerseits zur Frage ansetzen, als sich der Alte erhebt, wortlos, und geht.
Gern hätte ich erfahren, warum man sich hier, in der Universitätsklinik in Göttingen, um ihn kümmert.

Nessaja

Lomo

Wir sind doch erwachsen!
Und dieses Wochenende bin ich wieder etwas erwachsener geworden.
Ich hoffe, es zu sein (dass wir es sind).

Drüben am Tisch ein Scheidungskind mit seinem Vater, der gerade Besuchsrecht wahrnimmt (wie bitter).
Ein weinendes Kind, das im Restaurant malt und ein Vater, der erfolglos zu trösten versucht.
Ein weinendes Kind, das sich malt und ihn, um noch morgen zu wissen, er hat mich gestern besucht.

Marburg brennt (Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!)

Irgendwann im November gab es schonmal so Tage

Marburg brennt bis auf die Grundfesten ab, wenn das noch lange so geht und man den heulenden Sirenen glaubt, die sich am Haus in der Oberstadt vorbeischieben. Der Sohn aus besserem Haus räumt gegenüber die Bierflaschen vom Sims, den hochroten Kopf über die Histologie-Lernkarten in die Straße schiebend und der blau blinkenden Fackelhrzeugkolonne nachblickend. Hier brennen die Häuser auffallend häufig.

Da unten wohnt irgendwo ein ehemaliger Mitbewohner.
Hoffentlich ist es nicht sein Haus, das brennt.
Hier liegt noch Post für ihn.

Zu weiterem Mitgefühl bin ich heute nicht fähig. Das gleicht diesem morgen, ich hätte um acht Uhr sofort wieder ins Bett gehen sollen.

Einen Tag später fahre ich mit dem Rad durch den Regen.
Es war nicht sein Haus.
Und irgendwie beruhigt mich das heute.

Generalabschuss

Der Zug riecht nach Schweiß, von den Toiletten zu schweigen. Von Warnstreiks und deren Erfolg blieb ich verschont, weil ich bisher die Züge des Nahverkehrs mied. Gleich in Berlin werde ich angewiesen sein auf solche aber früh genug, um statt Regional- und S-Bahnen das U-Bahn-Netz zu benutzen.

Auf dem Weg

Ich verzweifle und will mich zurückziehen (in dich oder mich)…
Wenn man davon hört, wie Discounter ihre Arbeitnehmer behandeln. Wenn man davon hört, dass es vor der Rodung des Waldes bei Frankfurt (wegen des Flughafenausbaus) zum Generalabschuss kommt – die wenig schmeichelhafte Umschreibung des tierischen Genozid. Tief getroffen, nicht selbst auf die Notwendigkeit dieser Maßnahme gekommen zu sein, weil man nicht weit genug dachte.

Anwidernd, wie man sie (in ihren konservativen Wohnzimmern) sieht, Fleisch fressend und vielleicht stolz darauf, den Paraderassisten gewählt und damit endlich Grundlage geschaffen zu haben für den Ausbau Rhein-Main; und sich freuen, das Fleisch demnächst preiswert zu kaufen.

Generalabschuss

hört sich noch schlimmer an als Fleisch und als Wurst,
zwei sowieso (schon akustisch!) hässlichen Worten.

Dort hinten machen sie Wolken

Seit Tagen schwelt in meiner Luft der Konflikt, der ständig kichernd in der Ecke sitzt.
Gestern war es wieder soweit, dass der sich meiner Unausgeglichenheit bereichert
mich niedergedrückt und ausgeknockt, am Bett gesessen und gelacht.

Dort machen sie Wolken!

Dort hinten machen sie Wolken, haben wir gesagt zu uns, wissend genickt und am Horizont versucht zu erkennen, was alles kommt. Die Hälfte – mindestens – übersehen, wie wir gestern merkten. Nicht, dass er neu wäre, der durch die Türe tritt, sich lange nicht mehr vorstellt, sich niederlässt und beginnt zu erzählen.

Und dann kann das
neue Sofa im Büro
nicht erfreuen –

weil er darauf sitzt.

Du bist mir die Antwort schuldig geblieben auf die Frage
warum sich Menschen nicht menschlich behandeln.

Atomkraft für Anfänger

Atomkraft für Anfänger

Drei Störfälle in französischen Atomanlagen innerhalb der letzten drei Wochen, gestern wurden laut dem Stromkonzern EDF einhundert Mitarbeiter der Atomanlage Tricastin leicht kontaminiert.

Menschenverachtend stuft die französische Atomaufsichtsbehörde den Störfall auf Stufe Null ein, damit auf der niedrigstmöglichen Stufe der bis sieben reichenden Störfallskala. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden…

Mut machen die Störfälle in Frankreich nicht; sie könnten hier die Informationspolitik beeinflussen, um die Bedürfnisse der Atomlobby durchzuknüppeln.
Biblis (u.a.) ist von der gleichen Bauart und ungefähr gleich alt.