Der Phrasenprüfer

Als ich Ende des letzten Jahrtausends mein erstes Studium abbrach und mein zweites begann, als ich mich Anfang dieses Jahrtausends in der kleinen Stadt an der Lahn erstmals in einen Informatik-Hörsaal setzte und mit J. in eine WG zog, die immer noch nachwirkt, hat Wau Holland noch gelebt.

Bitte heute keinen giftigen Nebel,
Keinen Unfall im Atomkraftwerk,
Keinen Schwefelschnee im Erzgebirge,
Weil ich Geburtstag hab‘.

Ich bin zufällig über das Buch gestolpert, habe es bestellt und dann nicht mehr aus der Hand gelegt. Vielleicht, weil es mich an die eigene Zeit in Marburg erinnert, an die ein oder andere Situation, die im Buch beschrieben wird. Nicht, weil ich damals dabei gewesen wäre oder Ähnliches erlebte, aber weil ich Freunde habe, mit denen das möglich ist. 

Keinen Polenwitz in Frankfurt an der Oder,
Keinen Türkenwitz in Frankfurt am Main,
Keinen Schlagstock auf die Kinder Sowetos,
Weil ich Geburtstag hab‘.

Im Hintergrund lief eines Abends ein Lied von Gerhard Schöne, heute kam hier ein gut verpacktes Paket an aus der DDR, in dem vier Schallplatten steckten. Normale LPs für je zwölf Ostmark und zehn Pfennig das Stück, eine Doppel-LP für exakt den doppelten Preis. Die jüngste Platte wurde ein Jahr vor dem Fall der Mauer aufgenommen, alle vier sind bei Amiga erschienen.

Bitte heute keine Rüstungserfolge,
Kalten Kriegern heute keinen Trumpf.
Kein Manöverspiel im Kinderzimmer,
Weil ich Geburtstag hab‘.

Als ich Anfang dieses Jahrtausends mein Studium in Marburg abschloss, war Wau Holland nicht mehr am Leben. Und als mir Mitte der Zehnerjahre dieses Buch in die Hand und ein Foto von seinem Grab, erst da merkte ich, welche Rolle Marburg auch für ihn gespielt hat.

In der Stunde nach Sonnenuntergang

Das war nichts, wenn man ehrlich ist.

Ich habe wieder angefangen, regelmäßige Termine mit dem wunderschönen Mädchen zu machen um darüber zu sprechen, was mir in letzter Zeit den Schlaf raubt und um zu rekapitulieren, ob ich dort, wo ich bin, eigentlich sein möchte. 

Eine Reise zurück in die Jugend

Die vorgegangene Woche war traurigschön und ich habe auf den vielen Stunden Autofahrt mit der Frage gerungen, was mir wichtig ist.
Die Antwort ist ungeeignet für meinen Vorgesetzten. Nicht diese.

Es wird vielleicht ruhiger werden hier in nächster Zeit, weil ich mir Strategien zurechtlegen muss, weil ich nachdenken will und nachts Szenarien durchspiele, die aus Entscheidungen entstehen, die – eigentlich – überfällig sind.

Im Ruhrpott verdient

Und weil wir eine neue Wohnung suchen.

Herr Sonnenmann

Hier am Küchentisch beim Frühstück
starb sie Donnerstag halb zehn,
kurz zuvor noch hat sie müde
wilden Schwänen nachgeseh’n

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich hier richtig bin. Vielmehr bin ich mir sicher, hier nicht mehr richtig zu sein. Das ist ein plötzliches Erkennen, aber keine plötzliche Entwicklung, sondern steht am Ende langer Jahre, die ich weiter Norden in der Stadt gelebt habe, in der Wau Holland begraben liegt, die Marx-Lesekreise unterhält und in der wir gegen die Konservativen und Burschenschaften kämpften, durch verschiedenen Wohnformen, Lebensweisen und in unserer WG. Nach dreieinhalb Jahren in München begreife ich dies Sonntag morgens bei der Lektüre eines Buchs, das mich zurückversetzt in diese Zeit, an Abende in unserem Esszimmer oder am Waldrand, aus dem nachts Freunde auf unser Haus zurannten und an meiner Tür Sturm klopften. 

Hier wohnte Heinrich Heine

Das Studium und die Arbeit hat uns damals noch die Zeit gelassen, die wir brauchten, um Dinge zu erleben, an die ich mich Jahre später erinnere, die hängen blieben und die mit Personen verbunden sind, die ich heute viel zu selten sehe, mit denen ich viel zu selten spreche.

Doch am schönsten war es immer
kam die Enkelin zu ihr,
oh wie war die Luft vor Lachen!
oh wie duftete es hier!
Jeder Quirl wurde lebendig
unter ihrer Kinderhand,
meinen wilden Kachelofen
hat sie Sonnenmann genannt 

Wir halten uns dort oben im Industriegebiet für eine Elite, ohne dass uns das klar ist. Wir sprechen darüber nicht offen, uns stellen sich die Nackenhaare auf, wenn man uns so bezeichnet, weil wir es selbst nicht glauben oder vielmehr: glauben, das nicht zu wollen. Allein wir sind es. R.s erste Worte, als er mir irgendwann ein Werkzeug vorbei brachte, war ein verzweifelter Fluch, den ich damals lachend abtat. Natürlich hatte er recht.

Wir sind Teil dessen geworden, das wir noch zu kritisieren glauben. Wir sind die zahnlosen Tiger, aber wir sind doch die Guten! Nein, das sind wir lange nicht, wir können kaum noch unterscheiden, wer der Gute und wer der Schlechte ist. Ich weiß die Geschichte von einem, der, als er herausfand, dass das Gummi aus der Fabrik seines Arbeitgebers für Schlagstöcke verwendet wird, aufstand, die Fabrik verließ und nie wieder zurückgekehrt ist. Doch uns geht es nur um uns allein: um unsere Verbindlichkeiten, die Dreizimmerwohnung im Herzen der Stadt und den nächsten Urlaub am Meer.

Trotzdem, trotzdem nicht!

Wir sind glattgespülte Kiesel, wir bewegen uns miteinander in die gleiche Richtung. Vielleicht ist das diese Ahnung, die mich seit Monaten zweifeln lässt. Es überrascht mich niemand hier unten – abgesehen von einem – und das Schlimmste ist, ich überrasche mich auch nicht selbst.

Doch Herr Sonnenmann, mein Fenster,
all das Lachen in mir drin
werden bleiben in den Träumen
ihrer kleinen Enkelin 

t: Gerhard Schöne – Die Küche

Es ist so schwer sich zu entscheiden

Als ich irgendwann am Anfang diesen Jahres mit einem Freund in der Stadt sprach, in der ich die zehn Jahre vor meinem Umzug nach Süddeutschland lebte, erzählte er beiläufig, die ehemaligen Kollegen und mein alter Chef hätten Wetten abgeschlossen, ob ich bereits eines der (damals neuen) BlackBerry-Geräte besitze. Damals verneinte ich überzeugt, ich hätte meinen Frieden gefunden, heute habe ich derer zwei. Und eines dieser Geräte hole ich regelmäßig hervor, presse die SIM-Karte aus meinem iPhone in einen Adapter und umständlich in den BlackBerry, um diesen Schritt zwei Tage später rückwärts zu vollziehen – ich kann mich einfach nicht entscheiden.

Mate

Es kämpfen in mir zwei Ansichten: Die eine, die sagt: Beschränke Dich in Deinem Online-Leben auf das Nötige! Du musst nicht ständig bei Twitter posten, Du musst nicht ständig bei Facebook schauen. Natürlich kannst Du Deine Nachrichten lesen und selbstverständlich kannst Du die Podcasts hören. Dass das nicht zu häufig passiert, verhindert die Software mit einigen Unzulänglichkeiten und fehlender Bedienungsergonomie. Aber eMails kannst Du beantworten, Sofortnachrichten schreiben macht Spaß, denn die Software dafür wiederum ist sensationell, wenn man davon absieht, dass es einen Messenger, den ich verwende, für diese Plattform nicht gibt: Diese Plattform ist BlackBerry.

Die Plattform für das ständige Online-Leben ist dagegen das iPhone. Sie schreit geradezu nach Twitter, denn meine Leseposition ist mit dem Desktop synchronisiert. Die Videos in meiner Facebook-Timeline starten von selbst, für App.net gibt es einen tollen Client, Instagram befindet sich auf meinem Startbildschirm. Die Apps machen durchgängig mehr Spaß, die Bedienung ist vergleichsweise verständlich und gut, alles synchronisiert automatisch – ich habe sämtliche Daten meines Computers immer dabei – und alles ist wundersam integriert. Allein die Tastatur ist besorgniserregend, dafür ist die Kamera sensationell. Habe ich bereits die herausragende Qualität der Applikationen und Fotos gelobt?

Sonnenblume

So pendle ich zwischen den Geräten, ärgere mich über jedes und lächele wissend, wenn jemand für On-Screen-Tastaturen argumentiert.

»Du hast das Licht nicht gesehen, Freund, und ich sehe deswegen überall Schatten.« Ich pendle und bin mir nicht sicher, welcher Ansicht ich folgen soll. In der Zwischenzeit träume ich von der BlackBerry-Tastatur wie von einer verflossenen Liebe: eine gute Haptik allein reicht nicht für längere Zeit.

Es ist – gelinde gesagt – gerade monströs

Ich weiß gerade nicht genau, wo die Zeit bleibt. Vielleicht versickert sie zwischen Studien, die mir uninteressant erscheinen, vielleicht bleibt sie zwischen all den Ideen auf der Strecke, die mir angehenswert vorkommen und nach zwei Tagen ihren Drive verlieren. So habe ich eine Shortlist von Dingen, die darauf warten, abgearbeitet zu werden: Bloggen steht irgendwo an deren Ende und es gibt ja nicht allein dieses Blog zu bespielen.

Ein Mann im Schatten unsrer Museen

Vielleicht sollte ich einmal aufräumen wie dieser dort drüben im Schatten der Museen. Vielleicht sollte ich meine Dinge regeln und vergraben was mich bremst. Vielleicht habe ich in einigen Monaten wieder mehr Zeit – es gibt Leute, die warnen mich nicht zu verschätzen – aber dann muss ich Weichen stellen (das muss ich schon vorher), sortieren, den Dreck von der Gabel kratzen und fahren.

Im Sonnenuntergang

Da ist er…

Sie liegen uns in den Ohren, wie laut die Straße vor dem Haus lärmt. Und es stimmt: Wenn wir uns unterhalten, muss ich häufiger nachfragen, weil Satzhälften im Hupkonzert eiliger Münchener untergehen. Immerhin kann ich mich gut darin beobachten, dass Ich stets höflich Bitte? frage als ein kurzes, zeitsparendes Hä?. Denn wir hier oben auf unserem Balkon haben es nicht eilig. Aber wir haben auch keine Zeit zu verschenken.

Regattaanlage

Als ich vorgestern mit R. von hier an den Stadtrand fuhr und dann in einer Schleife über die Regattastrecke zurück, sind mehrere Radfahrer beinahe in uns gerast, gedankenverloren und auf der falschen Seite des Radwegs. Man sollte ihnen dann aber nicht Penner! hinterherrufen, weil sie sich umdrehen und dabei den nächsten Radler hinter einem selbst gefährden. Das haben wir für Sie getestet.

Sonnenuntergang

Campagnolo

Und dann kommt J.’s SMS, der mich einlädt in den Sonnenschein an den Rand eines Biergartens auf Höhe des völlig überlaufenen Isar-Ufers. Da ist er, der Moment, in dem mich das eher abstößt als freut. Nicht wegen J. selbstverständlich, wegen der Menschenmasse an der Biegung des Flusses, wegen des Wegs dorthin durch die Stadt. Als wir vor ein paar Wochen morgens um halb sechs dort saßen in den ersten Sonnenstrahlen, konnten wir gut beobachten, wie der zivilisierte Mensch seine Umwelt behandelt. Vielleicht ist damals die Entscheidung gefallen, vielleicht auch erst in den letzten zehn Tagen, in denen mir die Rücksichtslosigkeit und Lautstärke sonderbar intensiv vorkommt.

Ich brauche Abwechslung und eine Gruppe zum Fahren, vielleicht nicht mehr in der Innenstadt, vielleicht eher im Süden des Landkreises, wo die Wahnsinnigen nicht wohnen.

Finemine

Ich bin noch nie einen Marathon gelaufen. Die letzen Versuche, mich für das Laufen zu begeistern, waren mit A., die mich nach dem Training während des Dehnens gleichzeitig faszinierte und demotivierte. Seitdem habe ich eine Ahnung, zu was Körper anderer Menschen fähig sind, nicht aber, ob ich je in der Lage sein werde, einen Marathon in einer passablen Zeit zu absolvieren.

Erdfunkstelle Raisting

Ich habe einmal in meinem Leben einen Wettkampf im Schwimmen bestritten. Nicht, weil ich wahnsinnig talentiert wäre – ich wurde mit großem Abstand Letzter – sondern weil sich das irgendwie ergeben hat. Ich weiß selbst nicht mehr, wie ich in diesen Schimmunterricht und auf die Anmeldeliste des Wettkampfs gelangte, ich weiß lediglich, dass mir meine Eltern noch heute von meiner Begeisterung im Babyschwimmen erzählten. Seen und das Meer üben eine Faszination auf mich aus, stehe ich am Rand. Wenn ich schwimmen soll, bin ich ein Fan gefliester Gewässer und noch immer der langsamste Schwimmer im Becken.

Raistinger Becken

In der Sesamstraße gibt es eine Schnecke, die den Namen Finchen trägt. Ich weiß nicht, ob das damit zu tun hat, dass ich Tom Liwa für sein Lied Finemine danke und mich im Text verlieren kann. Aber wie es sich für den langsamsten Schwimmer der Welt und wie es sich für eine Schnecke gehört, ist dieser Artikel einen Tag zu spät.

Macht ihr den Scheißdreck weil ihr blöd seid?

Heute morgen fand der Kocherlball statt. Nachdem die Tradition der Hausangestellten 1904 aus Mangel an Sittlichkeit verboten wurde, findet sie seit 1989 einmal jährlich wieder statt. Wie der Münchner nun einmal so ist, wirft er sich für einmal jährlich stattfindende Veranstaltungen gern in Lederhosen oder Dirndl, die er für traditionell hält, und rottet sich mich Gleichgesinnten zusammen. Natürlich spielt Bier eine Rolle.

Balkon Links Eintritt frei für das Spektakel der Armen

Heute traf man sich um sechs Uhr im Englischen Garten zum Tanzen, gegen Ende der Veranstaltung sah man die Traditionsbewussten dann verstreut in der Stadt, mir vors Fahrrad laufend in ihren billigen Plastikkleidern auf meinem Weg in die französische Bäckerei.
Der Münchener Chic spielt einmal jährlich die Armen.

Leck mich fett,
das muss echt geil gewesen sein!

Heute nachmittag fallen sie dann mit ihren verschwitzen Körpern in den Englischen Garten oder, wenn sie den Kocherlball rechtzeitig verließen, hinterlassen sie ihre Spuren weiter südlich im See. 

Ein Zaun gegen die Münchener

Gestern teilte ein älterer Münchener die Menschenmenge an der Bushaltestelle vor unserem Haus mit seinem Auto, stellte den Motor ab, parkte, schnaufte sich adipös in die Eisdiele und kam mit drei fetten Kugeln zurück, bevor er zufrieden rückwärts setzte und mit seinem Auto entkam. Jeden Tag sehen wir die Massen der Rücksichtslosen, die alles tun für zwei Kugeln aus dieser Eisdiele, die als Statussymbol gilt, auf dem Radweg parken, vor der Einfahrt in unseren Hof oder gleich in der Bushaltestelle zwischen den Menschen vor unserem Haus.

Das sind bedauerliche Einzelfälle, rücksichtslos und selbstbezogen – asozial im Sinne des Wortes. Natürlich darf man aus ihnen nicht auf die Allgemeinheit schließen in dieser Stadt.
Natürlich nicht.

– t: Eure Mütter

Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht

Jeder kennt diese Art von Geschichten, die man sich erzählt, wenn man sich sieht. Im Büro beispielsweise oder während eines Treffen mit anderen (vielleicht: alten) Freunden. Diese Erzählungen gehen meist so: »Ob man Jenes schon wisse? Seinerzeit gab es da Eine und die hat die folgende Geschichte erlebt.«

Baiser

Dann kommt eine Geschichte, die entweder witzig ist oder unglaublich, nicht selten auch beides. Von einem Ehemann vielleicht, der während der Geburt seines Kindes aus dem Kreißsaal stürzt und sich bei den Hebammen über Magenkrämpfe beklagt. Von einer Frau möglicherweise, die in einer gewöhnlichen Situation einen ungewöhnlichen Mann kennenlernt und tags darauf ihre Familie verlässt. Oder die Krankheit, zu spät entdeckt, und anschließend ein schnelles tragisches Drama.

Tartelettes

Ich habe die Person endlich gefunden, die meine Freunde nicht kennen. Die all das selbst erlebt hat, auf die all jene Geschichten zurückgehen, von denen die anderen nicht genau wissen, um wen es sich handelt. Ich weiß es, ich kenne die Wurzel, denn sie selbst hat es mir selbst erzählt. An der Kaffeemaschine in unserem Büro.

Dann war es plötzlich da, dieses Gefühl, das ich habe gegenüber Menschen, die prahlen, die sich gerieren im Licht. Sofort liegt alles offen, ihr Leben, das oftmals komische und nicht selten tragische Elemente birgt, weil es gebaut ist auf Unwahrheiten, auf Prahlerei und auf Schein. Teile sinken irgendwann in sich zusammen wie ein morscher Turm auf Sand. Und sie schaufeln dann Sand in die aufreißenden Löcher, die Geschichte nicht zu invalidieren. Sie sind oberflächlich, gierig nach Aufmerksamkeit; für sie ist es ein Hamsterradrennen, das sie immer verlieren, für uns eine Zeitverschwendung, eine Zumutung, verlorene Zeit.

Paris vor Silberkannen

Vielleicht sind sie anders, triffst Du sie allein. Doch vor anderen müssen Sie sich profilieren, vor anderen kommen Sie aus ihrer Rolle nicht heraus. Sie sind das billige Flittchen auf RTL2, sie sind der Big-Brother-Containerbewohner. Lass sie reden, aber halte dich nicht mit ihnen auf. Es gibt eine Vielzahl schönerer Geschichten im Leben, bei denen das Zuhören lohnt.

Literature and Latte

Heute morgen schrieb mir eine auf Facebook, dass meine Fotos ihren Lebensstil ganz gut beschreiben. »Glückwunsch«, habe ich mir gedacht, »denn dann lebst Du recht vernünftig.«

Viola Tricolor

Im Übrigen stehe ich der Welt stets wieder mit einem gewissen Unverständnis gegenüber. Ein vatergewordener Kollege erzählte, seine erkennten ihn wieder, wenn er von mehrtägigen Dienstreisen zurückkehrt. Das freue ihn sehr, sei ein tolles Gefühl. Ich freue mich für ihn, obwohl es mich nicht interessiert und frage mich, warum er überhaupt auf mehrtägige Dienstreisen fährt. »Lass‘ die Krabben zu Hause, der Job ruft, ich muss meine Prioritäten setzen und allein der Erkennensfreude wegen arbeite ich jetzt zehn Stunden am Tag ohne dass meine Kinder mich sehen!«
Natürlich, der Job und oh! die Karriere.

Arbeit! Arbeit! Arbeit!

Das sind die Väter, die Emanzipation fordern, das ist der moderne Mann. Heute gilt als modern, der die zwei Monate Elternzeit nimmt und sich ansonsten verhält wie der eigene Großvater. Natürlich! Irgendwer muss schließlich das Geld verdienen und die Familie ernähren. Zur Sicherheit (und wegen der Rente!) in einem Achtstundentag-Angestelltenverhältnis und klar, die Frau kümmert sich – das ist doch natürlich! – um die Nachgeburt. Ja, Opa!
Es hat sich natürlich nichts verändert. Außer: Der moderne Vater lädt sein Heimchen zu sich ins Büro, geht stolz durch die Flure (er schiebt dann den Wagen oder trägt sein Kind stolz auf dem Arm), die Frau still nebenher wie ein Fremdkörper, der sie ist im Habitat des Vaters, der sich gerade vor anderen beweist: »Alle mal herkucken, Leute: Ich hab’ mich fortgepflanzt!«

Alter Mann

Liebe Eltern. Wie kommt ihr eigentlich darauf, dass euer Kind mich interessiert? Es interessiert mich nicht, auch dann nicht, wenn ihr es vor meine Füße legt. Mich interessiert sein Stuhlgang nicht, ob es krabbeln kann oder rülpst. Mich interessiert nicht, welche Eltern im Kindergarten eurer Kinder blöd sind und dass es gestern im Schwimmbad schön war oder schlimm. Ich will nicht über dein Kind reden; ich will nicht mit Dir reden, wenn Du kein anderes Thema mehr kennst. 

Bialetti Moka Express

Während ihr in den Eltern-Kind-Cafés sitzt laboriere ich an einem alten Problem. Es gibt dieses eine Programm, das ich nicht wirklich brauche. Und doch zuckt mein Finger stets über dem Bestellknopf, allein weil die Firma einen solch schönen Namen trägt, den sich dieser Beitrag hier als Titel geliehen hat. Und da sage einer, Details sind nicht wichtig. Ich trinke derweil einen italienischen Espresso, über dessen Farbe ihr beim Stuhl eures Kindes frohlockt.